Montag, 16. Mai 2016

Du bist ein Kind der 80er, wenn ...

Eine weitere Art, mit Begeisterung öffentlich zu altern, ergibt sich bei Facebook und anderen sozialen Netzwerken durch das Teilen sämtlicher Beiträge, in denen die derzeitige Jugend niedergemacht wird.
Netter gesagt:
in denen wir vermeintliche Vorteile überhöhen, was eine Jugend ohne Internet, Smartphones und sozialer Netzwerke angeht.

Tenor:
Wir haben damals noch richtig ...
oder
Wir haben damals noch echt ...

Langsam dämmert mir, dass die Technik immer auf der Seite der Jugend ist.
Gestern habe ich zB VOX einschalten wollen und musste feststellen, dass ich den Sender wohl mal wieder - wie auch immer - gelöscht habe.
Bisher haben wir nicht raus, wie ich bei der Nutzung der Fernsteuerung gelegentlich mal Sender lösche ...
Mit einem etwas entnervten "Mutter!" nahm mein Sohn die Fernsteuerung an sich und musste fluchend irgendeine langwierige Programmsuche starten, damit wir dann wieder VOX sehen konnten.
Ich bin gespannt, wie viele Sender mir in dem Jahr seiner Weltreise verloren gehen - vermutlich kann ich nur noch Sat1 Gold oder so etwas finden, bis er wieder hier ist ...

Das Gleiche mit meinem Fotoapparat.
Fern der Heimat, machte er plötzlich nur noch schwarzweiß Fotos - aber ha! das hatte er vor kurzem in Kopenhagen auch schon mal und das hat meine Tochter mal eben wieder umgestellt - kein Problem!
Also holte ich meine Brille und suchte ... ratlos ... immer ratloser ... und fragte sie dann halt über den Messenger, wie sie das umgestellt hatte.
"Na, da ist doch so ein Symbol und da drückst du dann drauf!"

Mit anderen Worten:
die aktuelle Technik ist für die Jugend schlicht und ergreifend selbsterklärend.
Sie gucken in eine Display und klicken sich ans Ziel, während ich vor einer Wand voll Hieroglyphen stehe.

Ich muss an meine Oma denken, die gelegentlich mal in grellen Neonfarben fernsehen musste, bis ihre Enkelin grinsend mit dem Farbregler an der Fernsteuerung wieder für normale Optik sorgte.

Einen Vorteil hat diese Neuzeit:
alle Geräte sind mittlerweile so klein, dass man sie problemlos mit Kraft dem jeweiligen Jugendlichen ins Kreuz schmeißen kann, der einem ein kopfschüttelndes "ist doch ganz einfach!", "Mutter!" oder "steht doch da!" zugemutet hat.

Auch die Begrifflichkeiten entlarven mich ständig als eine Art Dinosaurier, wenn ich zB arglos sage:
schreib mir einfach eine SMS!
kugeln die lieben Kinderlein belustigt am Boden herum, als hätte ich zum Meißeln einer Botschaft in eine Granitplatte aufgefordert.

Wobei ich zugeben muss, dass ich, was die Technik angeht, schon sehr früh vergreiste, indem ich Handys immer schon doof fand.
Ich hatte ein Handy und pflegte es immer schön ordentlich neben das Telefon zu legen, statt es mitzunehmen.
Einmal steckte ich es noch schnell ein und als dann in einer Drogerie anstand und das Handy klingelte, nahm ich also teil am Wettlauf all derer, die nun hektisch nach ihren Handys kramten.
Ich gewann den Wettlauf - vermeintlich - und zog triumphierend die Fernsteuerung unseres Fernsehers aus der Tasche.
Ja, Handys waren da noch etwas größer als heute ...
Die Frau, deren Handy nun wirklich geklingelt hatte, verpasste ihren Anruf aber auch, denn sie konnte vor lauter Lachen nicht weiter wühlen ...

Ah, gibt es eigentlich noch immer diese Gürteltaschen für Handys?
Machten sich ausgezeichnet zu Sandalen und Tennissocken ...

Aber davor, also vor den Handys - da war ich echt total smart und die Technik einfach selbsterklärend.
Den Gipfel der technischen Souveränität hatte ich vermutlich in der Zeit erklommen, als Telefone noch Wählscheiben hatten und ich immer einen Bleistift parat hatte um mir beim Wählen nicht die Nägel zu ruinieren.
Radiergummiseite nach unten, natürlich.
Das ließ sich optisch übrigens sehr nett in Szene setzen ...

Eine Methode, die ich bei den ersten Tastentelefonen übrigens beibehalten habe - basta!
War einfach schonender für den Lack ...

Was soll ich sagen?!
Der Lack ist ab!
Sozusagen ...

Aus irgendwelchen biestigen Gründen, wollen meine Nägel nicht mehr in den schwindelerregenden Längen von damals gut aussehen.
Statt dessen kommen sie rillig und bröckelig daher, egal welche Aufbaustoffe "Mutter!" auch schluckt.
Also poliere und öle ich unverdrossen ... und wenn ich telefonieren möchte, suche ich erst einmal meine Brille ...

Mein Handy lege ich nun wieder immer nett neben mein Telefon und nehme es nur sehr selten mit, denn ich möchte unterwegs nicht angerufen werden.
Einfach deshalb:
erst einmal muss ich mir das Handy direkt vor die Augen halten um den Anrufer zu erkennen,
dann versuche ich es erneut, indem ich das Handy möglichst weit von meinen Augen weg halte,
dann muss ich die richtige Taste treffen - ja, schon verraten - Tasten!
Diese doofe Wischerei auf dem Display eines Smartphones habe ich einfach nie hinbekommen - zum Abheben einfach hier Wischen - ich wische und auf halbem Weg geht mir das Abheben verloren - ich wische wieder - auf halben Weg geht mir das Abheben verloren - ich wische wieder - auf halben Weg, ach nein, ich schaffe es, aber der Anrufer hat aufgegeben ...
So, und nun höre ich den Anrufer kaum, weshalb ich mir also einen Finger in das freie Ohr stecke und in mein Handy am anderen Ohr brülle, da man automatisch laut spricht, wenn man den Anrufer schlecht versteht ...
Und man hört ein "Mutter, brüll nicht so!" gefolgt von einem beliebigen ... und jetzt tu bitte irgendwas für mich ...

Wenn ich ehrlich bin, verweigere ich mich Handys und Smartphones also schlicht, weil sie mich alt aussehen lassen
und nicht aus irgendwelchen "wir ... damals ... noch ... echt ... richtig"-Gründen.

Außerdem nervt es mich, dass wann immer ich etwas beherrsche es prompt gnadenlos out ist.
Kaum schreibe ich brav keine SMS mehr, sondern nutze den Messenger, kommt whatsapp daher und schließt mich aus, bis ich der Wischerei, bzw Smartphones doch wieder eine Chance gebe.

Gibt es irgendwo Kurse:
Wischen für Anfänger - oder - Wischen für Senioren?
Jaja, sieht ganz einfach aus und für den Rest der Welt ist es auch einfach, aber ich bekomme es nicht hin.






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